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Sachertorte

Es schüttet draußen. Erleichterung. Dringend hat die Natur das Regennass nötig. Erleichterung ist auch rundum zu spüren. Das tut gut.

 

Wir haben sieben Wochen hinter uns, die wir so wohl alle noch nie erlebt haben. Uns hat etwas eiskalt erwischt in einer Zeit des Jahres, in der wir eher schon ans Auftauen als ans Einfrieren dachten. Mehr oder weniger auf Eis gelegt die Geschäftstätigkeit, der echte Schulbetrieb, die sozialen Beziehungen, und wie eingefroren blieb man wohl auch oft in Situationen stehen, in denen man üblicherweise dem Gegenüber – zwecks Begrüßung, aus Freude oder Höflichkeit – normalerweise die Hand entgegengestreckt hätte. Nun schoben wir die Hand in die Hosentasche oder verschränkten sie mit der anderen, verlegen lächelnd, mit den Schultern zuckend, bis das Gegenüber meinte, dass es ihm oder ihr ja auch nicht anders erginge. Vieles hat sich in uns gerührt: Erschrockenheit ob der Schnelligkeit der Geschehnisse, Unverständnis gegenüber der Strenge gewisser Maßnahmen, Kopfschütteln wegen der offensichtlich trostlosen Situationen in vielen privaten wie auch geschäftlichen Lebenslagen, Verzweiflung manchmal in einem heillos überlasteten Arbeits-, Schul-, Kinder- und Haushaltstag vereint unter einem Dach, Frust wegen der fühlbaren Ausweglosigkeit.

 

Alle haben wir sie beobachtet, wir hingen an ihren Lippen in Nachrichten, Pressekonferenzen und Berichterstattungen. Wir hörten ihnen zu, hörten auf sie und fühlten uns – was für viele wohl auch eine neue Empfindung war – von den Politikern unseres Landes getragen. Vor allem fühlten wir uns gut aufgehoben in der Einigkeit von Regierung und Opposition. Das war ja nun wirklich etwas Neues! Dass sich der Streit-, Anklage- und Beschuldigungston nun im Nationalrat seitens der Oppositionsparteien bereits wieder breitgemacht hat, ist zwar durchaus ernüchternd, gibt uns jedoch die Zuversicht, dass sich die Gesundheitslage entspannt, dass die statistischen Zahlen eine durchaus optimistisch stimmende Entwicklung bestätigen und dass zumindest in den politischen Gremien auf Bundesebene definitiv die Normalität Einzug gehalten hat. Sie keppeln wieder!

Ich finde, Oppositionspolitiker könnten ruhig einmal Großmut zeigen und nun nach Loslassen der absoluten Anspannung festhalten, dass angesichts der für alle völlig neuartigen und durchaus verunsichernden Situation, der sich Politiker rund um den Erdball als Entscheidungsträger und Weichensteller gegenübersahen, unsere Bundesregierung vernünftig, verantwortungsvoll und wirksam agiert hat. Dass sie trotz Uneinigkeit und unterschiedlichster Herangehensweisen in den einzelnen Ländern kühlen Kopf bewahrt hat, um wichtige Entscheidung rasch und kompetent zu treffen. 

Natürlich zweifeln auch wir Bürger an der einen oder anderen Regel. Und wahrscheinlich hätte es auch in diversen Belangen noch bessere Lösungen als die vorgeschlagenen gegeben. Nur: Hinterher nun in aller Ruhe zu analysieren, zu zerpflücken, zu vergleichen und dann genau nur die Details rauszupicken, wo eben etwas nicht glatt und stimmig und ideal verlaufen ist, ist keine Kunst. Die politischen Führungskräfte haben nach bestem Wissen und Gewissen gegenüber einer noch nie dagewesenen Herausforderung gehandelt, sie mussten unter enormem Zeitdruck Entscheidungen treffen, die äußerst wichtig für das Wohl unserer Gesellschaft waren. Was wäre gewesen, wenn ...? Das wissen wir nicht. Unproduktiv und unfair ist es, den politischen Entscheidungsträgern nun Fehler vorzuhalten, zu einem Zeitpunkt, zu dem man definitiv nicht abschätzen kann, wie sich alles entwickelt hätte, wenn man eben nicht so strikt vorgegangen wäre. 

 

Wir wissen nun, wie es geht, uns so gut wie eben möglich zu schützen. Wir sind mit notwendigen Hygiene- und Verhaltensritualen vertraut worden und werden dieses Wissen in vernünftiger Eigenverantwortung in der nächsten Zeit einsetzen, um diese positive Entwicklung zu einer dauerhaften werden zu lassen. Wir wissen auch, dass diese absolute Strenge der letzten Wochen nur mehr bedingt eingehalten werden muss. Wir wissen, wen es besonders zu schützen gilt und wie wir das am besten machen.

 

Ich denke, zu lernen gibt es viel Wichtigeres als die neueste Taktik, seinen politischen Gegner wieder einmal bestmöglich durch den Kakao zu ziehen: 

Zu lernen gilt es, dass Lehrer und Lehrerinnen eine ganz wichtige Rolle für unsere Kinder spielen und dass wir ihnen sehr dankbar sein müssen, dass sie der Schülergeneration pädagogisch wie menschlich eine so wertvolle Stütze sind, viele Wochen im Jahr, in denen sie durch ihre Aufmerksamkeit und ihr Bemühen einerseits ein gutes Lernklima in einem schönen Klassenverbund schaffen, andererseits uns Erwachsene als Eltern freispielen, damit wir sinnvoll und konzentriert unseren beruflichen Tätigkeiten nachgehen können. Selbiges gilt für die KindergartenpädagogInnen. Stellt mir nicht die Frage, wie viel ich in den letzten sieben Wochen gebastelt habe ... Die Antwort wäre mir peinlich – ich mag es einfach nicht! Schule und Kindergarten sind eben nicht nur Treffpunkt für Freunde – und das ist schon ein wundervoller Aspekt dieser Institutionen –, sie sind auch kreative Werkstätten, Plätze des Informationsaustausches und der Wissensvermittlung. 

Zu lernen gilt es, wie wichtig regionale Autarkie auf vielen Ebenen ist. Wie wichtig der Wirtschaftsstandort Europa ist, der in unzähligen Belangen durchaus wieder weniger abhängig von Importen werden könnte als er es in den letzten Jahrzehnten war. 

Zu lernen gilt es, was im Leben durchaus entbehrlich ist. Die Wertigkeit vieler Dinge hat sich in den letzten Wochen ganz klar herauskristallisiert: Was fehlt uns unter derart geänderten Alltagsbedingungen am meisten? Was fehlt uns gar nicht?

Zu lernen gilt es, wie wichtig der gemeinschaftliche Zusammenhalt ist. Wer Hilfe brauchte, bekam sie, oft aus der unmittelbaren Nachbarschaft, oft aus der Familie. Wer Dinge tun konnte, der tat sie, und wer Dinge nicht tun konnte, der erfuhr Solidarität und Nächstenliebe. Das ist doch einmal ein starkes Zeichen der Menschlichkeit! 

 

Die Lockerung der Empfehlungen und Maßnahmen – teilweise schon stattgefunden, teilweise angekündigt – hat wieder mehr Leichtigkeit in unser Leben gebracht. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sich mein Jüngster und sein bester Freund gestern Nachmittag im Garten begegnet sind. Zwei junge Hunde sind in Übermut und Freude ein harmloser Vergleich! Erstaunlich zwar, wie sich die Abstandsregel auch in den Köpfen der Kleinsten bereits eingeprägt hat. Doch das gemeinsame Spiel! Das gemeinsame Lachen! Der gemeinsame Spaß am Ball, am Trampolin, bei Tisch! Welch eine Lebensfreude! Äußerst ansteckend, und höchst gesundheitsförderlich.

 

Heute kommen Oma und Opa am Nachmittag zu uns. Wir backen eine Sachertorte, die gibt es nur zu ganz besonderen Anlässen. Heute feiern wir einfach einmal uns – und das Leben!

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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