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Hjärtligt tack!

Gewisse Momente sind ein wahrer Segen. Ich bin keine Fernseherin. Meine Zeit am Abend ist meistens Arbeitszeit, manchmal, wenn gerade keine berufliche Arbeit anfällt, auch Sportzeit, oder an schönen Ausnahmetagen Bücher- oder Yoga-Zeit. Doch was ich ganz selten mache, ist mir freizunehmen für einen Fernsehabend. Glücklicherweise lebt da ein ganz lieber Mann an meiner Seite, der sehr gerne die Abende zum Abschalten, Informieren oder auch Unterhalten vor dem Fernseher genießt und davor, um eine bewusste Entscheidung treffen zu können, womit er diese wertvollen zwei bis drei Abendstunden verbringt, das Fernsehprogramm sehr genau studiert. Astrid brachte Donnerstagabend ein deutscher Sender, einen Film über die jungen Jahre der weltweit erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautorin Astrid Lindgren. Ja, ich ließ mich gerne dazu überreden, es war ein intensiver Tag mit Arbeitern ums Haus, Kindern im Haus und viel Gedanken beim Haus. Was für ein schöner Abend war das! Und was für eine imposante Lebensgeschichte. Astrid Lindgren begleitet mich schon sehr lange: Als Kind liebte ich die freche Abenteurerin Pippi Langstrumpf, immer und immer wieder träumte ich davon, mit ihr auf dem Rücken des Kleinen Onkels durch die Gegend zu reiten. Ronja Räubertochter las ich später, mit großem Respekt vor dieser ganz eigenen Welt der Räuber und Fabelwesen in gruseligen Wäldern. Das Buch liegt heute bei meinem Sohn am Nachtkästchen. Nie hätte ich es weggegeben. Viel später, ich war gerade zum zweiten Mal Mutter geworden, schenkte mir mein Mann (er bringt mich immer wieder zu guter Literatur und guter Filmkunst) das Buch Die Brüder Löwenherz – ich sollte es zuerst lesen, bevor wir es unserer Ältesten vorlesen würden. Diese Geschichte brachte mich bitterlich zum Weinen. Astrid Lindgrens Bücher sind Lebensphilosophie und Märchenspannung, herzergreifende Familienbande und Staunen vor dem Fantastischen in einem. Astrid Lindgren hat für alle Menschen dieser Erde in jedem Lebensalter geschrieben. Ich habe viele Tränen mit den Brüdern Löwenherz vergossen, und ich habe lange gebraucht, bis ich mich dazu entschied, es auch meiner Tochter zum Lesen zu geben (als sie im Vorlesealter war, war ich noch zurückhaltend mit dieser Geschichte – vielleicht hätte ich es ihr auch früher zutrauen können, doch diese Ergriffenheit, die ich erlebte, hat mich hier etwas länger zögern lassen). Als mir dann der liebe Mann an meiner Seite das nächste Mal ein Astrid-Lindgren-Buch mit dem Titel Mio, mein Mio schenkte, konnte ich es kaum erwarten, dass es Abend wurde und ich mich endlich zu diesem Buch setzen konnte. Ich habe es verschlungen. Wer so über das Leben und den Tod und die Ebenen dazwischen schreiben kann, ist nicht nur Kinderbuchautorin. Wenngleich die Rolle „Kinderbuchautorin“ bereits eine große Verantwortung mit sich bringt, Astrid Lindgren hat einen weit breiter gespannten „Bildungsauftrag“ übernommen. So viele Briefe hat sie zu ihren Lebzeiten immer wieder von zuhörenden und lesenden Kinderfans bekommen. Wie gerne würde ich ihr noch einen Fanbrief schreiben! Vielleicht kann sie ja, von der Wolke aus, auf der sie sitzt, diesen kleinen Blog-Eintrag als Dankesbrief und Liebeserklärung an ihre Schreibkunst sehen. Es wäre mir eine Ehre. 

 

Jetzt bin ich in der literarischen Ecke gelandet. So geht es mir, wenn ich an Lindgrens Bücher denke. Doch eigentlich wollte ich über diesen sehr ergreifenden Film schreiben. Astrid erzählt die Geschichte einer jungen Frau in Schweden, die durch ihre Wildheit und Abenteuerlichkeit keinen leichten Stand in der Gesellschaft hatte und durch die äußerst frühe Schwangerschaft zu ihrem ersten Kind sehr viel hinter sich lassen musste, weil dies sonst die ganze Familie in eine unmögliche Situation gebracht hätte. Da wollte ich eigentlich einhaken mit meinem Text. Immer schon war die Frau in der Gesellschaft das schwächere Glied, immer schon musste sie Abstriche machen, wenn ein Miteinander gegen gesellschaftliche Normen verstieß – was ich diesbezüglich in den letzten Wochen im Rahmen meiner Lektoratsarbeit lesen musste in der geschichtlichen Aufarbeitung von „Wegschaffungen von Konkubinen“ und „Hexenprozessen“, schnürt mir als Frau die Kehle zu! Wie schwer Geliebte von katholischen Priestern oder auch angesehenen Adeligen bestraft wurden und welch geringe Konsequenzen es immer wieder für den zu zumindest gleichen Teilen beteiligten männlichen Part gab – es lässt einen immer wieder sprachlos und kopfschüttelnd vor solchen Begebenheiten verharren. So musste auch die junge Astrid, noch bevor ihr Kindesbauch zu erahnen war, die Familie und ihre Heimat verlassen, musste heimlich im Ausland gebären, ihr Kind einer Ziehmutter überlassen, musste Distanz und Entfremdung dem Kind gegenüber erleiden, nur um die Welt des Kindsvaters und auch die der Eltern, die als Pfarrhofspächter als Bauern arbeiten durften, nicht aus den Bahnen geraten zu lassen. Musste fernab der Heimat arbeiten, leben, trauern, hadern, ... doch: Astrid war eine starke Frau. Sie wusste und spürte, dass sie ihren Weg machen würde. Sie fand wieder zu ihrem Sohn. Sie fand ihre Position in der Gesellschaft. Sie fand zurück zu ihrer Familie. Und sie fand schließlich mitten ins Leben, mit Beruf, Liebe und Talent. Ich bewundere diese Frau über alles, und sie ist nur ein Beispiel für Abertausende bewundernswerte Frauen rund um den Erdball, die schwierige Schicksale erleben und dennoch, oder gerade deswegen, ihren Lebensweg unbeirrt und zielstrebig beschreiten. 

Hjärtligt tack, Astrid!

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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