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Hausarbeitsblues

Heute einmal ein Bericht von der Alltagsfront:

 

Ich könnte jetzt über meine dreckigen Fensterscheiben schimpfen, die ich im Geiste seit gefühlt zehn Tagen per gutem Vorsatz putze, sie mir aber immer noch staubig und angetapst entgegentrotzen. Über die liegengebliebene Bettwäsche, die ich nach langer Überwindung zwar endlich von den Betten abgezogen und gewaschen, sogar sorgfältig faltenfrei aufgehängt und nach Trockenzeit wieder abgenommen habe, die nun allerdings geduldig, still und ohne Aufruhr auf meine Bügelstriche wartet. Ich könnte mich über die sehr hoch gelegene Oberfläche unseres großen freistehenden Kühlschranks echauffieren, die sich trotz langen Hoffens nicht selbst abstaubt und bei der ich bei jeder Staubsaugerrunde am Boden verächtlich vorbeistolziere und ihr sage, dass sie sowieso keiner sieht oder bemerkt oder gar bemitleidet ob ihrer Verschmutzung. Jedes Mal meint sie dann ebenso verächtlich zurück, dass sie genau wüsste, dass ich sie von der Stiege aus sehen würde, sie mir also jedes Mal beim In-den-ersten-Stock-Gehen ein schlechtes Gefühl bereitete, und dass ich es mir doch bald überlegen sollte, mir diese drei lächerlichen Minuten Zeit zu nehmen. Ja, drei Minuten! Aber das sagen sie alle! Alle Kleinigkeiten in diesem schönen Zuhause, die mich, und nur mich, stören, täglich ins Auge springen, mir auflauern und mich im richtigen Moment hinterrücks überfallen! Die Zwischenräume zwischen den Sprießeln des Stiegengeländers, die achtlos und ohne Erbarmen dauerhaft verstauben, die hohen Fenster in der Galerie, die uns zwar Licht schenken, mir aber auch ein sauer-verzogenes Gesicht bei direktem Gegensonnenlicht bereiten, weil sie über die letzten Wochen gar so viel Blütenstaub gesammelt haben. Die Fensterbänke außen (okay, das wäre mit drei Minuten Bearbeitungsdauer durchaus untertrieben), die selbst und allein keine Gegenwehr gegen Blütenpollen und diversen Straßen- und Baustaub zeigen und sich permanent in einem jämmerlichen Zustand befinden. Die ..., das ..., der ... 

 

Ja, ja, und so könnte ich nun noch sehr lange vor mich hin grummeln und mich ärgern ... Doch da fällt mir der staubsaugende Freddie Mercury in Queens Song-Video „I want to break free“ plötzlich ein und bringt mich zum Schmunzeln. Weg sind die Gedanken von der ach so engstirnigen Selbstkritik. Danke diesen immer wieder auftauchenden Erinnerungswölkchen, die hartnäckige Nörglergedanken in Nullkommanichts verdecken und vertreiben.

 

Ein lieber Freund, sozusagen ein neuer alter Bekannter (neu, weil erst vor eineinhalb Jahren kennengelernt, alt, weil seit beachtlichen 92 Jahren auf dieser Welt heimisch), meinte während unserer intensiven Zusammenarbeit letztes Jahr immer wieder: „Und dann gibt es noch den Guten Gott, der einen das erkennen und wertschätzen lässt, was schon geschafft ist, und nicht immer nur das vor Augen hält, was noch zu tun bleibt.“ Guter Gott, ich danke dir.

 

„Ja aber ...“ könnte ich jetzt einwenden. Doch nein, von diesem Sager haben wir uns über die letzten Jahre bewusst distanziert. „Ja aber ...“ beliebten meine Kinder ungefähr 57mal am Tag (pro Kopf!) zu sagen. Wir führten bereits eine „ja aber“-Steuer ein. Wir beantworteten eine Zeit lang jeden mit „ja aber“ begonnenen Satz mit „aber-kadabra“ – und konnten definitiv die „abers“ durch diese äußerst abschreckenden Strategien und Schmunzelreaktionen reduzieren. Es ist auch wirklich eine blöde Angewohnheit, und aus Angewohnheiten werden bekanntlich Lebenshaltungen, eine „ja aber“-Lebensphilosophie sozusagen, die durchaus nicht positiv ist. 

 

Ich könnte (aber) auch genau das Gegenteil tun, ich könnte aufzählen, was heute meinerseits alles geschafft und getan wurde: Frühstück gerichtet, zwei Racker aus dem Bett geküsst, Jausenboxen gefüllt, wegen Schüttregens Auto zur Schule und zum Kindergarten gelenkt, eingekauft, Wochenendkuchen gebacken, gutes frisches Mittagessen gekocht, staubgesaugt, Büroarbeit Teil 1 erledigt, Wäsche gewaschen und aufgehängt (ich habe akzeptiert, dass die Lebensbestimmung unseres Wäschekorbes nicht ist, leer zu sein, er fühlt sich mit ausgebeultem Kugelbauch durchaus wohler und ist gleichzeitig der beste Beweis dafür, dass es die Kinder in Garten, Wald und auf dem Fußballplatz sehr lustig hatten), Müll für die Müllinsel ins Auto geräumt, den Kleinen wieder vom Kindergarten abgeholt, gemeinsam zu Mittag gegessen, Küche aufgeräumt, gleichzeitig dem Mittleren bei der Hausaufgabe geholfen, Büroarbeit Teil 2 erledigt, den Mittleren verabschiedet (und mit Fahrrad und großem Rucksack am Buckel ins Wochenendabenteuer starten gelassen – das ist auch ein Auftrag für eine Mama, und was für einer!), den Kleinen alleine zum Spielplatz zur Siedlungs-Gang gehen gelassen (auch das nicht leicht, doch irgendwann kommt der Tag, ... – oh, der Lauser hat auch das Fahrrad genommen!!! Bitte lieber Schutzengel, schau auf ihn ...), den Müll zur Müllinsel geführt, Büroarbeit Teil 3 erledigt, den Kleinen am Spielplatz abgeholt, zum Fußballplatz gebracht, die Fußballzeit als kurze Mama-Austausch-Stunde genutzt, wieder nach Hause, um die Wäsche abzunehmen und zusammenzulegen (so viel wie möglich! dann wird der Bügelwäscheberg nicht maßgeblich größer ...), die Tochter und den Liebsten, heimgekommen von Schule und Arbeit, begrüßt, gemeinsames Workout unter freiem Himmel auf der Terrasse gemacht ... 

... und dabei NICHT die staubigen Fenster angeschaut, sondern die schönen Abendsonnenstrahlen, die ein zauberhaftes Lichtspiel auf die Futterwiesen, die frühsommergrünen Bäume und die weiter entfernten Bergrücken mit ihren Schneeklecksen warfen, die Wolken bewundert und in deren Formen eintauchend zu träumen begonnen, die Ruhe des nahenden aufgabenfreien Abends eingesogen, Gute-Nacht-Kuss an den Jüngsten verschenkt, schlussendlich die Zufriedenheit landen gelassen.

 

„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.“ Oh ja!

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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