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Goldene Momente

Herbstspaziergang am funkelnden Bach, die Birken glänzen goldgelb im Sonnenlicht und entledigen sich Blatt für Blatt ihres verfärbten Herbstkleides. Der Wind lässt ihre Erbschaft des Sommers durch die kühle Herbstluft tanzen und zerrt die hohen Wolken in zauberhafte weiße Schlierenbilder ... An solch eine Stimmung könnte man denken, wenn man einen Titel wie „Goldene Momente“ aus meiner Feder liest, schreibe ich doch wirklich gerne über die wundersamen Schauspiele der Natur. Und doch, an diesem Herbsttag, denke ich an ganz etwas anderes bei diesen Worten. Ich weiß nicht, wie alt ich werden muss, oder ob es überhaupt je so sein wird, dass ich mich nicht wie ein kleines Mädchen ganz aufgeregt und fröhlich auf einen Besuch in meinem Elternhaus freue. Dass ich es kaum erwarten kann, wenn ich die schmale, leicht ansteigende Straße hinauffahre, bis hinter einer langgezogenen Rechtskurve das Haus meiner Jugend auftaucht, im südlichsten unserer Bundesländer, am Nordrand der Hauptstadt.

 

Es sind immer ganz besondere Momente im Jahr für mich, zum einen, weil sie immer seltener werden, zum anderen, weil sie meistens mit speziellen Anlässen und wichtigen Tagen im Jahr verbunden sind: Manchmal ist es Ostern, manchmal Papas Geburtstag, manchmal ein großes Verwandtenfest, manchmal auch ein Begräbnis, und äußerst selten, doch dafür ist dann die Vorfreude umso größer, ist es einfach nur so – weil ich gerade riesengroße Sehnsucht nach diesem Jugendzuhause habe, das doch immer eines bleibt: das Haus meiner lieben Eltern. Wie alt sie sind, wie alt ich bin, meine Eltern bleiben sie ein Leben lang. Eng verbunden und durch und durch vertraut. Wie auch ihr Haus: Jede Ecke dieses Zuhauses kenne ich auswendig, auch wenn vielleicht dort oder da ein neues Möbel steht oder ein altes seinen Platz gewechselt hat, ein neues Bild hängt oder die saisonale Dekoration wechselt: Es ist alles so vertraut. Selbst im Garten wachsen noch die altbekannten Gesellen, und sollte einmal einer gestutzt oder überhaupt entfernt worden sein, es wird mir sicherlich nicht entgehen. Es sitzt sich immer noch gleich gemütlich auf der Terrasse, es stehen in den kühlen Jahreszeiten immer noch fröstelnd die rauchenden Besucher auf der Küchengartenstiege, es macht sich immer noch ein Mädchengefühl breit, wenn ich mein Jugendzimmer betrete. Und dann kann ich für ein paar Stunden wieder einmal nur Tochter sein. Am allerbesten funktioniert das, wenn ich auch wirklich nur Tochter und nicht gleichzeitig Mama bin bei solch einer Auszeit zu Hause – also alle Kinder oder zumindest die zwei jüngeren nicht mitgenommen habe. Einfach mit meinen Eltern zusammensitzen, plaudern, mich ein bisschen verwöhnen lassen, vielleicht einen lieben Onkel begrüßen, der zufällig vorbeischneit, vielleicht mit meinen Herzenstanten einen Kaffee trinken. Vielleicht da, wo ich früher laufen ging oder auch am Pferderücken unterwegs war, spazieren gehen. Auf meinen alten Spuren. In meinen alten Geschichten.

 

Und wie gut es sich anfühlt, einfach wieder einmal nur Tochter zu sein! Ohne Laptop oder Kinder im Schlepptau, ohne immerwährende Anfragen jedweder Art, beruflich oder privat. Die einzige Frage, die in dieser Zeit erlaubt ist, ist jene nach einer zweiten Portion oder einem Nachtisch. Einfach verwöhnen lassen, und eines sage ich euch: Das ist besser als 5-Sterne-Hotel mit Saunalandschaft und Spa-Erlebniswelt. Ich will keine Urlaubserwartungen oder kein Erholungs-Soll erfüllt wissen und muss mich nicht zwischen fünf Suppen, dreizehn Salaten und sieben Nachspeisen entscheiden, sondern alles ist ganz einfach und klar, vertraut und unkompliziert. Denn da bin ich daheim, auch wenn ich schon lange ausgezogen bin. Solche Momente, seltene Genusssternchen am Alltagshimmel, sind für mich mit diesem schönen, warm glänzenden Edelmetall zu vergleichen, die schimmern für mich einfach golden.

 

 

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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