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Quarantäne-Tagebucheintrag: nicht unbedingt mega-kreativ, dafür gefährlich ehrlich!

Tag 4

(Warum ich Tag 4 mit euch teile? Das will ich euch sagen: Weil ich euch Tag 1 bis 3 nicht zumuten will; zu chaotisch, zu durcheinander der Start in die Abnormalität, zu unkoordiniert und sorgenvoll.)

 

5.30 Uhr: Weckermelodie. Normalerweise lasse ich mich, als Frischluftfanatiker bei offenem Fenster schlafend, von den Kirchturmglocken um 6h00 wecken. Doch gestern Abend, am Ende von Tag 3 der absolut chaotischen Einstiegszeit, habe ich nach kurzer Durchsicht der Liste all jener Aufgaben, die ich aus Zeitnot nicht erledigen konnte, beschlossen, mir einfach eine ruhige Stunde in der Früh zu gönnen. In der Sekunde des Weckrufs verwünsche ich diesen Vorsatz, da mich in der Nacht zweimal ein Schwarm nach Nordafrika ziehender Kraniche weckte, der wohl müde vom langen Flug beschlossen hatte, in der Umgebung unseres Hauses zu nächtigen; da auf so einer weiten Reise allerhand besprochen werden muss, gab es mindestens zwei nächtliche Konferenzen (wahrscheinlich sogar mehr, den Rest habe ich glücklicherweise verschlafen).

5.40 Uhr: Kater füttern, auf morgendliche Gassi-Tour entsenden.

5.45 Uhr: Tee kochen, Computer anwerfen, längst fällige e-mails beantworten.

6.00 Uhr: Morgenglocken in aller Ruhe bei weit geöffnetem Fenster genießen. Den Zugvögeln guten Flug wünschen.

6.15 Uhr: Mein Jüngster zeigt mir auf, dass eine durch äußerst zeitiges Aufstehen hart erkämpfte Freistunde dann doch nur 45 Minuten hat. Guten Morgen!

6.17 Uhr: Dem hartnäckigen Antrag auf Teilung des Arbeitsplatzes in meinem Büro wird stattgegeben. Wenn die Mama so früh arbeitet, muss das der gewissenhafte Volksschüler auch tun. Alles aufgeräumt, geschlichtet, Platz gemacht, los geht’s: Heimschultag Nr. 4 des Jüngsten beginnt.

6.25 Uhr: Nach mehrfach wiederholten Anfragen bezüglich der Richtigkeit der erfüllten Aufgaben (ca. alle 2 Minuten) gebe ich es auf, noch irgendeine konzentrierte Arbeit erledigen zu wollen. Ich ordne meinen Desktop und schreibe eine Vormittagsliste, das geht auch neben klein m und groß M und Silbenbogenkontrollieren.

7.00 Uhr: Nr. 2 ist wach. Ihr arbeitet schon? Wann gibt’s Frühstück? Okay, ich fange auch gleich an, zum Essen bin ich eh noch zu müde ... (Zum Rechnen nicht? Meine Kinder verblüffen mich immer wieder.)

7.25 Uhr: Nr. 3 gesellt sich zu uns. Sie schaut auf mich. Kocht einen kräftigenden Frühstücks-Porridge, dekoriert mit frischen Früchten und Kokosraspeln. Die gute Neuigkeit des Tages: Der Patient im Gästezimmer bestellt Kaffee. Das beste und eindeutigste Zeichen seiner beginnenden Genesung. Trinkt er wieder Kaffee statt Kräutertee, geht es eindeutig bergauf.

8.30 Uhr: Nach gemeinsamem Frühstück der Schüler mit Frau Heimlehrerin verlagert sich das Geschehen wieder in den ersten Stock. Jeder geht in sein „Klassenzimmer“, jeweils mit einem Stapel Aufgaben. Das wird sie wohl beschäftigen, also ran an die Arbeit ...

8.40 – 10.40 Uhr: Ca. 25 individuelle Anfragen aus drei verschiedenen Schulstufen. Fächer: Rechnen, Schreiben, Lesen, Französisch, Englisch, Geometrie (glücklicherweise gibt es Google für die Formel zur Berechnung der Höhe auf c in einem gleichschenkeligen Dreieck!) – in variierender Reihenfolge und mit unterschiedlicher Frequenz. Schulstufe 1 kommt eindeutig am häufigsten, die Problemlösungen lassen sich hier allerdings auch am raschesten finden. Mir raucht der Kopf. Ich plädiere für große Pause im Freien, mit Fußball und viel Frischluft. Die administrative Arbeit oben im ersten Stock auf Computer und Anrufbeantworter verlacht mich lautstark. Doch noch lasse ich mich nicht kleinkriegen!

11.20 Uhr: Die bewegte Pause wird wegen zu häufiger Fouls und eindeutig spürbarer Streitsucht zwischen Stürmer und Tormann beendet. Glücklicherweise geben die Tagespläne noch weitere Aufgaben für den Vormittag her. Ich schaffe fünf wichtige Telefonate, ein Behörden-e-mail und eine Vormittagsstärkung für den Patienten (zum Glück gibt es WhatsApp – würde mich der Gästezimmer-Insasse nicht ab und zu daran erinnern, dass es ihn auch noch gibt, er wäre bereits verhungert).

12.00 Uhr: Ich beschließe, jeden weiteren Versuch konzentrierten Arbeitens zu unterlassen und mich stattdessen eher der Zubereitung einer kulinarischen Erfreulichkeit zu widmen. Tatkräftige Unterstützung kommt von meinem Teenager – dank ihrer Hilfe und Kreativität gibt es zurzeit mehr als die ewig gleichen Lieblingsmenüs der zwei Rabauken, denn in der Küche sind wir zwei Damen doch etwas vielfältiger und gesünder unterwegs als die Jungmänner der Familie.

13.00 Uhr: Raubtierfütterung. Nicht auf die Besetzung im Séparée vergessen! Zwar weniger Raubtier als vegetierendes Pflänzchen derzeit, doch glücklicherweise trotzdem hungrig.

13.30 Uhr: Nach Beseitigung der Werkstattspuren des überaus erfolgreichen kulinarischen Alleingangs meines Teenagers freue ich mich auf eine Mini-Siesta. Diverse Anfragen verkürzen das geplante Viertelstündchen auf ein Nichts-chen, um 13.45 Uhr Aufbruch zum Drive-in (nein, nicht McDonalds, heute gibt es nur Stäbchen ins Näschen).

14.20 Uhr: Pause – bitte! Ja, in der Sonne. Mit dem Fußball zwischen oder vor oder hinter den Beinen, manchmal auch hinterm Busch. Auf alle Fälle laufend, stoppend, tricksend, schwitzend, lachend, streitschlichtend, zumindest einmal nicht denkend, planend, grübelnd. Das ist schon einmal gut. Ich verliere einmal 1:3 (gegen Klein), einmal 2:3 (gegen Groß) und einmal bekomme ich sieben Tore als Torfrau. Bitte Wasser.

15.45 Uhr: Kaffee? Mama, wir haben die Verbesserungen von den Lehrerinnen bekommen. Kannst du uns helfen? Natürlich kann ich, der Tisch ist groß. Hier Groß, hier Klein, hier meine Kaffeetasse. Eine halbe Stunde und zehn Anfragen unterschiedlichster Art später ist der Kaffee kalt. Kalter Kaffee macht angeblich schön – oder war es der kalte Kaffeerauch? Blöder Spruch. Zumindest der Duft von Kaffee lag gemütlich in der Luft, und ob kalt oder warm, er hält mich munter für den Rest des Nachmittags. Schönsein ist derzeit sowieso Nebensache.

17.00 Uhr: Keiner hat mehr Lust auf Schule. Keiner hat mehr Lust auf Arbeiten. Keiner hat mehr Lust auf Denken. Gut. Let’s call it a day. Wir waren fleißig. Kaminfeuer schüren. Badewanne für Klein einlassen. Ausgelesene Bücher gegen neues Material bei Groß austauschen. Ganz Groß noch kurz bei Französisch helfen. Was für eine Freude! Das geht ohne Google. Ehre gerettet.

18.30 Uhr: Gemeinsames Abendessen. Verschiedenste Menüs. Mir egal, Hauptsache, sie sind zufrieden und es gibt keine Diskussionen. Keine Kraft für Diskussionen. Abendfernsehen: Blödelserie mit wissenschaftlichem Hintergrund (ich mache ja keine Werbung, aber das moderierende Vieh ist blau und trägt eine Rüsselschnauze ...). Nach einer erfrischenden Dusche habe ich gleichzeitig mit meinen Kindern den Pyjama an. Sicher ist sicher, vielleicht schlafe ich ja bei der Gutenachtgeschichte schon ein.

20.30 Uhr: Die Burschen sind entschlummert, halleluja. meine Tochter und ich gönnen uns noch eine kleine Gemeinsamzeit, bevor jede in ihr Zimmer geht.

21.00 Uhr: Ein kurzer Blick auf meine To-do-Liste im Büro zeigt, dass sie kaum Durchstriche, Kommentare oder Kürzungen erfahren hat. Was habe ich nur den ganzen Tag lang gemacht?!?

22.00 Uhr: In Ruhe alles aufgeräumt, Dinge an ihren Platz gebracht, wo sie gut nächtigen können, Kinder zugedeckt, Schlafräume gelüftet, Lego-Tiere aus dem Abfluss der Badewanne gefischt, Kater in meinem Büro zum Schlafen gelegt, Fenster sicherheitshalber zugemacht – falls die Kraniche zwei Nächte im Lungau gebucht haben und wieder konferieren möchten –, einen kurzen lächerlichen Versuch gestartet, noch etwas Interessantes zu lesen, gute Nacht.

 

Rückblick auf vorgefertigte Ideen: So eine kleine Quarantänezeit kann wohl sicherlich auch sehr gemütlich sein. Nirgendwohin müssen, die Einkäufe von Freunden erledigen lassen, den ganzen Tag zuhause für die Familie Zeit haben ... Ja genau. Wie Urlaub.

 

 

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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