Die Vier

Am heutigen vierten Adventsonntag mit dem wunderschönen Vierer-Datum 20.12.2020 spaziere ich mit der Zahl Vier durch meine Gedanken. Heute verabschieden wir den Spätherbst und blicken mit morgen dem Beginn des Winters, der vierten Jahreszeit entgegen. Die vier Himmelsrichtungen geben uns Orientierung im Raum, aber durch das Wandern der Sonne auch Orientierung in der Zeit. Die vier Elemente spüre ich am heutigen Tag ganz bewusst: Am Vormittag atme ich tief die kalte Schneeluft bei einem Sonnenspaziergang ein, spüre den gefrorenen Erdboden unter meinen Füßen, das Wasser draußen ist nun nicht nur fließend, sondern knirscht auch als Schnee und glitzert und funkelt als Eis entlang des Bachs. Im Kachelofen schafft das Element Feuer wohlige Wärme im Haus und vervollkommnet die Vier.

 

Als Kleeblatt zu viert lebte ich achtzehn Jahre in meiner elterlichen Familie, es schien mir immer der Idealzustand zu sein, als Kind nicht alleine, aber auch nicht zu viele rundherum, für jeden Platz, Zeit und Aufmerksamkeit. Unsere Nummer Drei hat uns eine Generation später sehr eindrucksvoll aufgezeigt, dass eine Handvoll Familie auch nicht schlecht funktioniert, dass sich elterliche Aufmerksamkeit sehr wohl auch auf drei kleine Lauser aufteilen lässt und dass man, wenn man spät genug im Lebenslauf Haus baut, leicht auch drei Kinderzimmer planen kann. Die Nummer vier unter den Kindern in unserer Familie ist allerdings vierbeinig, hat einen langen buschigen Schwanz und viel schwarzes Fell rundherum. Wie eine liebe Freundin und Tierarztassistentin sehr treffend einmal gesagt hat: „Das letzte Kind trägt Fell.“

 

Und in Vier-Jahres-Schritten wandere ich heute durch meine Weihnachtserinnerungen. Inspiriert dazu hat mich der berühmte Song It was a very good year von Frank Sinatra, zwar nicht von ihm geschrieben, aber von ihm im Jahr 1965 gecovert und in dieser Version zum internationalen Hit gemacht. Ray Charles hat diesen Song auf seinem letzten Studioalbum genius loves company, das ich liebe und das ich in einem meiner Studienjahre von meinen Eltern eben zu Weihnachten bekommen habe, gemeinsam mit Willie Nelson gesungen, und diese CD grabe ich jedes Jahr aufs Neue in der Adventzeit aus. Vorweihnachtsstimmung und Ray Charles mit diesem genialen Album gehören für mich einfach zusammen.

 

Also, kleine Wanderung durch meine Jahre – in Vier-Jahres-Schritten:

Mit null plus zehn Tagen wurde ich am Arm meiner Mutter neben dem ersten Christbaum meines Lebens gehalten, als kleines, frisch geliefertes Weihnachtspräsent zusätzlich zu den bunt-glitzernden Geschenkspaketen.

 

Mit vier war ich ein blondgezöpftes Mädchen. Rausgeputzt im festlichen Kleid glänzten meine Augen beim Anblick des mit silbernem Lametta und roten, goldverzierten Kugeln geschmückten Christbaums. Süßigkeiten hingen auch ein paar darauf, den Namen „Spanischer Wind“ fand ich sehr lustig. Allerdings gab es an anderen, verschiedentlich bestückten Christbäumen noch viel spannenderes Leckeres zu entdecken, weshalb mein Bruder und ich die Weihnachtsbesuche bei diversen Verwandten herrlich fanden.

 

Mit acht zauberte ich dann schon selbst ein bisschen mit. Ganz heimlich bastelten mein Bruder und ich für mich Engelsflügel aus Karton, einen Sternenkranz für den Kopf, und zogen aus dem hintersten Teil des Kleiderkastens ein sommerliches weißes Röckchen und ein weißes T-Shirt hervor. Die kleinen Weihnachtsgeschenke für unsere Eltern kamen, als uns das Christkind zum geschmückten Baum hinklingelte, mit mir gemeinsam angeflogen. Gedichte, Flötenspiel und vierstimmiger Gesang (also vier verschiedene Stimmen ...) machten unser kleines Weihnachten zauberhaft schön.  

 

Mit zwölf hatte es sich christkindmäßig ausgeglaubt, doch die Vorfreude auf und die Riesenfreude zu Weihnachten wurden deswegen um nichts geringer. Weihnachten war einfach immer schön. Weihnachten war immer warm, voller Überraschungen, Licht und Liebe. Weihnachten war immer Familie, Ruhe und Freude.

 

Mit sechzehn erklärte ich meinem Vater, der nach vielen Jahren des Christbaumaufputzens wenigstens diese eine Aufgabe am Heiligen Abend abgeben wollte (Weihnachtskoch war er nämlich auch), dass das ganz und gar nicht ging. So groß konnte ich als Kind gar nicht werden, dass ich mich nicht wie eine Kleine ganz unglaublich über den fertig geschmückten Christbaum mit den brennenden Kerzen am Abend freute, den ich vor diesem Moment einfach noch nicht sehen wollte.

 

Mit zwanzig wusste ich, was mir im Jahr davor so sehr gefehlt hatte. In meinem Au-pair-Jahr in Frankreich entschied ich nämlich, wirklich das ganze Kalenderjahr mit meiner Gastfamilie zu erleben und so auch zu Weihnachten nicht nach Hause zu fahren. Ich wollte französisches Noël erleben. Es war interessant, es war schön, es war anders, doch meine Familie fehlte mir sehr. So war ich als frischgebackene Studentin unglaublich froh, Weihnachten wieder zu Hause zu erleben.

 

Mit vierundzwanzig war ich gerade sehr einsam. Es war ein trauriges, verlassenes, enttäuschtes Herz, das da ganz stark Halt in der Familie suchte. Und fand. Mein Bruder heiterte mich auf, nahm sich Zeit für mich und nahm mich zu Freunden mit, um mich abzulenken. Trotzdem war ich traurig. Man darf ja auch weinen zu Weihnachten. Weihnachten mit seinem Zauber bringt eben auch tiefe Gefühle ganz stark an die Oberfläche. Ein verweintes Weihnachten also. Auch solche Jahre muss es geben ...

 

Mit achtundzwanzig war ich seit einem guten Jahr Mama und das veränderte meine Welt von Grund auf. Auch mein Weihnachten. In diesem Jahr fuhr ich mit unserer kleinen Tochter in die Nachbarortschaft Eben zur Kindermette, damit der Christkindhelfer zuhause genügend Zeit für den Weihnachtszauber hatte – wir nahmen unsere neue Aufgabe schließlich sehr ernst. Die Kinderchristmette war wunderschön, die Kirche kalt, aber voller Menschen, die sie wärmten, und mein kleines Mädchen war fasziniert von allem: von den Lichtern, von der Musik, von dem Hirtenspiel, und dann auch von dem frischen Schnee vor der Kirche. Heimlich rief ich kurz am Telefon des Christkindhelfers an. Dieser Anruf jagte ihm den Puls auf 200 hinauf. Der brave Helfer war nämlich im Genuss der häuslichen Ruhe in einen seligen Lamettaschlaf abgetaucht und der Christbaum stand stolz und grün neben ihm und wartete darauf, geschmückt zu werden. Der Anruf war ein Weckruf! Unser kleines Mädchen und ich spazierten somit noch dorthin und dahin, sahen den Schneeflocken beim Tanzen zu und gaben damit dem rotierenden Wichtel die Chance, aus der grünen Tanne doch noch einen Christbaum zu machen. Ich glaube, es war eine etwas hektische halbe Stunde für ihn ...

Im Weihnachtszaubern mussten wir gemeinsam also noch etwas geübter werden, doch die vielen Jahre danach gaben uns genug Gelegenheit dazu. Alle Jahre war die zu bezaubernde Kinder-Kombination – Baby und Kleinkind, Kleinkind und größeres Geschwisterchen, Klein plus Mittel plus Groß – anders und stellte uns vor neue Herausforderungen, doch jedes Jahr machte das Zaubern neuerlich Spaß und gelang auch vortrefflich. Und jedes Jahr freuten wir uns wohl am allermeisten über den gelungenen Christkindbesuch.

 

So wird man vom glaubenden Kind zum Weihnachtswunder-zaubernden Erwachsenen, und immer ist es Wunder-voll.

Alle vier Jahreszeiten wieder.

Ja, und in vier Tagen ist es so weit. In diesem Sinne bleibt mir nur mehr eines zu schreiben: 

 

                              Fröhliche Weihnachten Euch allen!

 

 

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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Kommentare: 1
  • #1

    Ilse Hartl (Dienstag, 23 Februar 2021 18:07)

    Ich bin jetzt erst zum Lesen der ersten Teile gekommen - es ist so wunderbar erzählt, es werden für mich Erinnerungen an die Zeit, als unsere Kinder noch klein waren, wach.

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