Garten unlimited – oder: Die kleine Geschichte des Beschränktseins

 

Die Sprache ist meine tägliche Aufgabe. Und mein Steckenpferd. Gerne amüsiere ich mich beim Wortzerpflücken. Gehört schließlich auch zu meinem Beruf. Was da aktuell an neu geprägten Wörtern, Wortkombination oder Wortbedeutungen über uns hereinschwappt, ist fast schon unheimlich. Über meinen einzigen sozialen Kontakt und das definitiv positive Negativsein habe ich mich ja schon einmal ausgelassen. Heute kommt’s noch dicker:

 

„Ich bin K2.“ Aha. Bis vor ein paar Monaten, konnte das nur der zweithöchste Berg dieser Erde von sich behaupten. Ein imposantes Gebilde im Nordwesten des Karakorums. Mit seinen 8.611 m unter Bergsteigern geachtet und begehrt gleichermaßen. Heute kommen von links und rechts in immer größer werdenden Scharen Menschen daher und sagen, mal mehr, mal weniger gelassen: „Ich bin K2.“ Freitags zu Mittag klatschte mir diese Tatsache mein zehnjähriger Sohn ins Gesicht. Na wunderbar! Wieder Heimunterricht. Was für erbauliche Neuigkeiten nach einer intensiven Arbeitswoche.

 

„Das heißt, ich bin verkehrsbeschränkt.“ Dieser Zusatz kostete mich jetzt wirklich einen Lacher! Wäre ein Kind – oder auch ein Erwachsener – vor einiger Zeit zu mir gekommen und hätte mir gesagt, „ich bin (xy-)beschränkt“, mit welcher Beigabe auch immer, so hätte ich mich entweder sehr gewundert oder aber mir gedacht: „Naja, Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung ...“ Doch dass mir mein Sohn an dem Tag, an dem er seine lang ersehnte Fahrradprüfung bestanden hat und endlich (Halleluja!) offiziell mit seinem Fahrrad auf der Straße unterwegs sein darf, nun als erste Information hinwirft, er sei „verkehrsbeschränkt“, das war nun wirklich pure Ironie.

„verkehrsbeschränkt“ bedeutet also dieser Tage, dass er nicht zur Schule gehen darf. Zur Verhütung der Weiterverbreitung [...] können [...] ansteckungsverdächtige Personen im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden [...], sofern eine ernstliche und erhebliche Gefahr [...] besteht [...]. Da wiehert der Amtsschimmel! Der Originalsatz des behördlichen Bescheids umfasst sage und schreibe acht Zeilen, ich erspare euch weitere Details. Also: Fakt ist, mein Sohn hatte das Pech, sich zirka vier Schulstunden lang maskiert im selben Raum wie sein lieber Schulkollege aufzuhalten, der dann positiv war – und da ging’s, so positiv das auch früher einmal klingen mochte, leider nicht um eine gute Schularbeitsnote. Verkehrsbeschränkt also. Er sieht es vergnüglich. Fahrradfahren darf er nämlich so viel wie er will! Es heißt ja glücklicherweise „im Verkehr mit der Außenwelt“ beschränkt und nicht „im Verkehr in der Außenwelt“. Sonst wäre er zehn Tage in der Innenwelt unseres Hauses und das wäre – angesichts der soeben bestandenen Fahrradprüfung – die größte Strafe, die man ihm nur auferlegen könnte.

 

Noch ein Zuckerl? Nicht so sehr wortgebunden diesmal, sondern zwischenmenschlich kommunikationsbezogen.

Freitag Nachmittag bezüglich des beschränkten Kindes ein Anruf: Aufklärung zur derzeitigen Situation. Ausführlichst, doch auch sehr nett: ‚Sehen Sie’s locker, er muss nicht gleich testen gehen (! – bitte merken), und fünf Tage später kann er sich schon freitesten lassen.’

Zwei Stunden danach ein Anruf (andere Stimme, andere Nummer): ‚Ich rufe an wegen der Anmeldung zum sofortigen Test.’ – ‚Danke, wir verzichten. Kind pumperlgesund, in der Schule nasenbohrend durchgescreent, bester Laune.’ – ‚Ah, das muss ich vermerken. Kein Problem. ... Oje, das System ist abgestürzt. Ich mache einen Handvermerk. Selbst der Computer will offensichtlich Feierabend machen.’ – ‚Danke. Schönes langes Wochenende!’

Weiterer Anruf am Feiertag um 9.00 Uhr (neuerlich andere Stimme, andere Nummer): ‚Wo ist das zu testende Kind?’ –‚Abgemeldet.’ – ‚Sie haben sich nie bei uns gemeldet?!’ – ‚Wer ist uns? Ich wusste nicht, dass ich das tun hätte sollen.’ – ‚Aber wenn Sie wen abmelden wollen, müssen Sie sich melden!’ – ‚Der computerabgestürzte Fachmann aus Salzburg gestern hat mich dieser Abmeldungspflicht entbunden.’ – ‚Aha, und wo steht das?’ – ‚Auf einem handgeschriebenen Zettel, in irgendeinem Büro in Salzburg, Adresse mir unbekannt.’ – ‚Und das an einem Feiertag!’ – ‚Da kann ich Ihnen nur beipflichten. In diesem Sinne: Schönen Feiertag!’ – ‚Ja, ist gut, ich werde das vermerken.’ – Wenn ich zu Schulzeiten einmal irgendwelche Obrigkeiten gehabt hätte, die binnen eines Tages so viele Vermerke bezüglich meiner Entscheidungen oder meines Verhaltens machten, ich hätte ziemlich Bammel ob der Konsequenzen gehabt. Heutzutage ist das alles ganz normal.

 

Ich bin also vielfach vermerkt. Mein Sohn verkehrsbeschränkt. Der K2 ist mir noch fern. So fröne ich meinen herrlich erdigen, handfesten Gartenarbeiten, die weder abstürzen können, noch mir etwaiges Verschieben eines Pflanztermins negativ vermerken. Gartenarbeiten, die immer schön sind, nie enden, aber auch nie vollkommen sein wollen. Weil es einfach rundum wächst und grünt und bunt wird, mit oder ohne mein Zutun, einmal sieht es eben etwas ordentlicher aus, einmal etwas weniger. Unbeschränkt natürlich.

 

 

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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