Nomen est omen

 

 Influenza – Im lateinischen Wortursprung steckt der Einfluss drinnen. Die Bezeichnung Influenza für die Grippeerkrankung rührt von der Vorstellung her, dass Krankheiten durch besondere Planetenstellungen beeinflusst seien.

Influencer – ob die auch planetengesteuert sind? Ich kann sie nicht haben. Schon wieder so eine Pauschalaussage, ich weiß. Natürlich gibt es da und dort ein paar hell leuchtende Sternchen in der unfassbar unermesslich großen Milchstraße der Influencer-Community. Doch der Großteil ...

 

Früher hießen sie Vorbilder oder Idole. Ihr neuartiger Name sagt alles: Sie wollen beeinflussen, Menschen, und vor allem Jugendliche, steuern.

Und sie fühlen sich obendrein ermächtigt dazu alleine durch ihren Namen. Kann man solchen Doofis nicht auch einen doofen, absolut machtlosen Namen geben?

Nomen est omen, heißt es schließlich aus dem alten Rom.

Doch wobei – die Parallelität zur Influenza finde ich ja schon wieder genial stimmig. Sie sind wirklich manchmal wie eine Krankheit. Höchst ansteckend. Sehr virulent. Nur: Impfen kann man sich nicht gegen sie lassen. Da müssen schon Eltern gutes, solides, stärkendes Immunitätstraining machen. Von Kinderschuhen an gehört dem Nachwuchs der Rücken gestärkt, muss er lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden, lernen, über Gesagtes und Dargestelltes nachzudenken, es zu hinterfragen und nicht unreflektiert gutzuheißen.

 

Was soll das, fragt sich eine verantwortungsvolle Mutter, dass man interessierte Kunden, Fans, durch willkürlich bestimmte Produktlimits und eng gesetzte Bestellzeitfenster so unter Zugzwang setzt, dass man Teenies zum Heulen bringt, nur weil das viel beworbene, superlässige Outfit aus der persönlich von der Influencerin gestalteten Kollektion blöderweise zehn Minuten nach Eröffnung des Angebots auch schon wieder ausverkauft ist? Sonntag um 12.00 Uhr geht’s los, um 13.00 Uhr ist der Spuk wieder vorbei. Die potentiellen Kunden – mit der potenten Kreditkarte von Papi oder Mami schussbereit neben dem Laptop – hocken fanatisch vorm Computer, vergessen auf Sonntagsbraten & Co und hoffen inbrünstig, dass sie bei den ersten BestellerInnen dabei sind. Leider wieder nicht. Doch keine Sorge! Das nächste Angebot kommt bestimmt. Nicht traurig sein, einfach wieder am nächsten Sonntag um 12.00 Uhr ...

 

Sie sprechen ihre Sprache, sie gehen ihre Schritte, sie glauben, weil es bei denen so leicht, lässig, gut aussieht, sieht es bei ihnen selbst auch leicht, lässig, gut aus. Auch sie können mit ihren Rädern über Stiegenfluchten springen und nach der Landung souverän grinsen – leider endet das in der Realität dann eventuell mit einem gebrochenen Schlüsselbein. Pech gehabt, das hat der Influencer vor laufender Kamera leider nicht erwähnt, dass man dafür üben muss, sich schützen muss, klein und langsam anfangen muss, bis man nach Stunden über Stunden harten Trainings diese Specials hinknallen kann. Nicht erwähnt, dass vielleicht das Tragen des gleichen T-Shirts und der coolen Bauchtasche alleine noch keinen Stuntman aus dem kleinen großen Fan macht.

 

Die Tatsache der leichten Zugänglichkeit unzähliger online-Kanäle für Kinder und Jugendliche in zarten Altersklassen muss uns Erwachsene immer wieder den Kontrollhebel in die Hand nehmen lassen, auch wenn es unbequem ist – für beide Seiten. Wie früher zu einer bestimmten nachmittäglichen Uhrzeit ORF 1 einzuschalten und zu wissen, jetzt ist Kinderprogramm, unbedenklich, gut verdaulich und lustig obendrein, das funktioniert schon lange nicht mehr. Das Angebot ist grenzenlos, die richtige Auswahl zu treffen alles andere als leicht. Den Überblick zu bewahren auch nicht. Ich gebe ganz unverwandt zu, dass mir in Zeiten langer Aufgabenlisten und kurzer Abgabefristen, an Tagen, an denen lange Stunden im Draußen wettermäßig nicht angesagt sind, diverse Medien ein willkommener Kinderunterhaltungspartner sind. Doch mehr und mehr lerne ich, welch vorsichtiger Umgang damit zu pflegen ist, wie oft man mit den unbedarften Nutzern darüber sprechen muss, was in Ordnung ist, was nicht, was ernst genommen werden kann, was nicht, was sie gut und gerne alleine konsumieren können und was definitiv erwachsene Begleitung benötigt. Wie wir auch eindringlich und mit viel Geduld immer wieder betonen müssen, dass unbegrenztes Angebot nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit unbegrenztem Konsum, zeitlich wie materiell gesprochen, auch nicht mit unbegrenztem Kontostand. Und dass nicht immer alles gleich auch zur eigenen Ausrüstung gehören muss, was laut Influencer unbedingt und unumstößlich zu den Must-haves gehört.

 

Es ist in mir drinnen ein ständiges Hin- und Hergerissensein zwischen dankbarer Annahme des Unterhaltungsangebots und verärgertem Entsagenwollen gegenüber all diesen inhaltslosen Zeitvertreibern (die wohl am allerwahrscheinlichsten zuerst einmal sich die Zeit vertreiben müssen und diesen Unfug dann obendrein veröffentlichen und vermarkten). Eine ambivalente Beziehung sozusagen. Und da ich selbst nicht so sehr Beeinflusserin, sondern viel eher Begleiterin sein möchte, versuche ich, sozusagen als Konkurrenzveranstaltung, zu handfesten Dingen zu greifen, die in meinem Einflussbereich liegen: zu lustigen Spielen, zu Karten, Kegeln und Würfeln, zu Büchern, zum Fußball, um uns alle wieder mehr die reale Welt spüren zu lassen.

 

Heute freue ich mich ganz besonders auf so einen unbeeinflussten Tag, auf viele Stunden zu fünft und auch noch mehr. Einen schönen, den Müttern gewidmeten Sonntag auch euch allen!

 

 

Eva Adelbrecht

Team von Buchhandlung und Verlag Pfeifenberger

Lektorin & Autorin

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